In unserer Studie untersuchten wir, welchen Einfluss die Symmetrie eines Gesichts auf die Attraktivität hat. Der Theorie (Thornhill & Gangestad, 1993) nach sollten Gesichter umso attraktiver sein, je symmetrischer sie sind. Um dies zu überprüfen, erzeugten wir für unterschiedlich attraktive Gesichter (sehr unattraktiv, mittel attraktiv und sehr attraktiv) symmetrisch optimierte Versionen. Jedes dieser symmetrisch optimierten Gesichter präsentierten wir zusammen mit dem dazugehörigen (unveränderten) Originalgesicht Versuchspersonen, die angeben sollten, welches der beiden Gesichter sie attraktiver fanden.

Zum Herstellen von symmetrischen Gesichtern gibt es mehrere Möglichkeiten:
Die verbreitetste Methode ist das Erstellen von sogenannten "Chimärengesichtern". Dazu wird in einem Bildverarbeitungsprogramm bei einem frontal aufgenommenen Gesicht eine Gesichtshälfte dupliziert, an einer vertikalen Achse gespiegelt und danach an die ursprüngliche Gesichtshälfte angefügt. Das symmetrisierte Gesicht besteht danach entweder aus zwei linken oder zwei rechten Gesichtshälften. Das Problem dabei: Es stellt sich die Frage, welche Gesichtshälfte man eigentlich duplizieren soll. Denn da die beiden Gesichtshälften ja eben nicht gleich sind, sind die symmetrisierten Gesichter verschieden - je nachdem, aus welcher Gesichtshälfte sie generiert wurden. Ein weiteres Problem ist, dass bei diesem Verfahren auch Muttermale, Pickel, abstehende Haare oder Seitenscheitel verdoppelt werden.

Links: Chimärengesicht aus einer linken Gesichtshälfte. Mitte: Originalgesicht. Rechts: Chimärengesicht aus einer rechten Gesichtshälfte

Ein deutlich besseres Verfahren ist das Morph-Verfahren. Dazu wird von einem frontal aufgenommenen Originalgesicht eine um eine vertikale Achse gespiegelte Kopie dieses Bildes erstellt. Diese beiden Bilder werden dann mit einem Morphing-Programm zu einem neuen Gesicht vermorpht. Das auf diese Weise erzeugte Gesicht ist völlig symmetrisch. Im Gegensatz zur Chimärengesichter-Methode entsteht keine Bruchstelle in der Mitte des Gesichts und man steht auch nicht vor dem Problem, welche Gesichtshälfte man spiegeln soll.

Beispiel: Hat ein Gesicht einen breiten linken und einen schmalen rechten Unterkiefer, erhält man mit der Chimären-Methode entweder ein Gesicht mit einem (auf beiden Seiten) sehr breiten oder sehr schmalen Unterkiefer. Bei der Morph-Methode erhält man für die Breite des Unterkiefers automatisch den Durchschnitt aus den verschiedenen Breiten der linken und der rechten Hälfte des Unterkiefers. Auch Asymmetrien wie z.B. ein höherstehendes oder schräges Auge werden mit dieser Methode ausgeglichen. Für unsere Untersuchung verwendeten wir ein modifiziertes Morphing-Verfahren, bei dem nur die Gesichtsproportionen symmetrisch optimiert wurden - Haut und Haare blieben dagegen unverändert. Das Gesicht wirkt dadurch natürlicher.

Links: Symmetrisch optimiertes Gesicht nach dem herkömmlichen Morphing-Verfahren; Hautunreinheiten nehmen ab, Haare werden unscharf, alles wird gespiegelt, auch Haare und Hautunreinheiten. Mitte: Originalgesicht. Rechts: symmetrisch optimiertes Gesicht nach unserem Morphing-Verfahren; nur die Gesichtsproportionen werden symmetrisch optimiert, die Haut und Haare dagegen werden vom Originalgesicht übernommen. Dadurch wirkt das Ergebnis wesentlich natürlicher.

Die Ergebnisse aus unserem Experiment zur Symmetrie zeigen, dass Symmetrie zwar ein Faktor ist, der Attraktivität beeinflusst, jedoch bei weitem nicht in dem Ausmaß, wie es häufig behauptet wird. Es gilt vielmehr: Gesichter, die sehr asymmetrisch sind, sind eher unattraktiv, aber sehr unattraktive Gesichter sind deswegen noch lange nicht automatisch asymmetrisch. Umgekehrt gilt ebenso: Sehr symmetrische Gesichter sind noch lange nicht attraktiv und sehr attraktive Gesichter zeigen durchaus Abweichungen von der Symmetrie (vgl. Bericht!).

Gewiss, ausgeprägte Asymmetrien führen sicherlich zu einer schlechteren Attraktivitätsbewertung. Beispiele für solche starken Asymmetrien sind ein Auge, das deutlich tiefer liegt als das andere Auge oder starke Kieferfehlstellungen, die für die Betroffenen oft nicht nur eine Beeinträchtigung des Aussehens darstellen, sondern häufig gesundheitliche Probleme nach sich ziehen (z. B. Schmerzen im Kiefergelenk, Probleme beim Kauen oder sogar Ohrgeräusche). Für jeden, der jedoch von solchen starken Abweichungen des Knochenwachstums verschont geblieben ist, besteht überhaupt kein Anlass, sich Sorgen über das eigene Aussehen zu machen, wenn er beim prüfenden Blick in den Spiegel ein paar Abweichungen zwischen linker und rechter Geschichtshälfte bemerkt.

Denn insgesamt ist Symmetrie nur ein sehr schwaches Kriterium für Attraktivität, zumal die Asymmetrien bei den meisten Gesichtern so gering sind, dass man schon sehr genau hinsehen muss, um überhaupt einen Unterschied zwischen dem asymmetrischen Originalgesicht und der perfekt symmetrischen Variante zu erkennen. Die in der Literatur zur Attraktivität immer wieder betonte Bedeutung der Symmetrie muss deshalb stark relativiert werden (vgl. auch Habilitationsschrift, S. 233-238).

Buchtipp:

Renz, Ulrich (2006). Schönheit. Eine Wissenschaft für sich.
Bietet einen sehr fundiert geschriebenen Einblick in die moderne Attraktivitätsforschung und ist dennoch leicht und amüsant zu lesen. Auch die kritische Auseinandersetzung mit dem Schönheitskult unserer Gesellschaft kommt nicht zu kurz. Auch als Taschenbuch erhältlich.
Mehr dazu
siehe auch: http://www.schoenheitsformel.de

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