Ergebnisse zur Schönheit der Figur

"Die drei Grazien", hier in einer Darstellung von Raffael (1505), ein in der Kunstgeschichte beliebtes Motiv, das in Gestalt von drei Frauen das jeweils zu einer bestimmten Zeit aktuelle Schönheitsideal zeigt. Alle "Grazien-Darstellungen" früherer Jahrhunderte zeigen fülligere Frauen als es unserem heutigen Ideal entspricht (vgl. Bild oben!).

Was macht eigentlich eine attraktive Frauenfigur aus? Für die meisten Leute ist die Antwort völlig klar: Eine attraktive Frau muss vor allem schlank sein. Kein Wunder, dass die meisten Frauen sich zu dick finden und aus Unzufriedenheit mit ihrer Figur abnehmen wollen. Doch so selbstverständlich uns dieses Ideal ist - historisch gesehen ist es ziemlich neu und völlig ungewöhnlich.

Schlankheit

Denn bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts galten meist solche Frauen als attraktiv, deren Körper reichlich mit typisch weiblichen Rundungen ausgestattet war. Die viel zitierten "Rubens-Frauen" sind dabei sicherlich ein Extrembeispiel (in dem sich nicht nur der damalige gesellschaftliche Trend, sondern wohl auch der persönliche Geschmack des Malers widerspiegelt). Dennoch zeigt ein Blick auf die Gemälde und Skulpturen der Alten Meister klar, dass offensichtlich über Jahrhunderte hinweg Frauenkörper als schön galten, die wir heute als zu dick bezeichnen würden.

Attraktivitätsforscher erklären sich den Wandel des Ideals damit, dass Fett in früheren Zeiten als Statussymbol galt: Nur die Wohlhabenden konnten es sich leisten sich satt zu essen, während die Armen aus Nahrungsmangel zwangsläufig schlank blieben. Hunger war ihnen ein vertrautes Gefühl - das Wort Diät hingegen gab es damals noch gar nicht. Heutzutage jedoch ist in den reichen Industrienationen der westlichen Welt die Versorgung mit Nahrungsmitteln für alle gesichert und niemand braucht Hunger zu leiden. Dadurch hat Fett seinen Informationswert als Zeichen von Wohlstand verloren. Teilweise hat sich dieser Zusammenhang sich sogar umgekehrt (Sobal & Stunkard, 1989): In den USA beispielsweise ist starkes Übergewicht vor allem ein Problem der sozialen Unterschicht.

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Links: "Venus vor dem Spiegel" (1615) von Rubens mit üppig barocker Figur.
Rechts: Ein Model nach dem modernen Schlankheitsideal.

Wenn die Vorliebe für Schlankheit etwas mit wirtschaftlichem Wohlstand zu tun hat, sollten eigentlich Menschen in wirtschaftlich ärmeren Ländern fettreichere Körper bevorzugen. Und so ist es auch: Eine weltweite Studie, in der 62 verschiedene Kulturen untersucht wurden, zeigte, dass Schlankheit vor allem in den Ländern bevorzugt wird, in denen sich die Menschen um ihr tägliches Brot keine Gedanken machen müssen. In armen Ländern hingegen gelten tendenziell dickere Frauen als schön (Anderson, 1992).

Auch die gesellschaftliche Stellung der Frau scheint eine Rolle zu spielen: In traditionellen Kulturen, in denen Frauen in erster Linie Hausfrauen und Mütter sind, werden fülligere Figuren bevorzugt, in Kulturen hingegen, in denen Frauen mehr politische Macht und einen höheren Anteil an der Erwerbstätigkeit haben, werden schlanke Figuren bevorzugt. Barber (1998) konnte nachweisen, dass während des 20. Jahrhunderts auch in der westlichen Welt dieser Zusammenhang bestand: Je traditioneller die Rolle der Frau, desto kurvenreicher das Figur-Ideal. Je größer das Wirtschaftswachstum und je größer der Anteil der Frauen an Bildungssystem und Erwerbstätigkeit, desto weniger kurvenreich war das Ideal.

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Das Taille-Hüfte-Verhältnis

Doch völlig abhängig von gesellschaftlichen Einflüssen ist das weibliche Figur-Ideal keineswegs. Bei allem scheint es eine Gesetzmäßigkeit zu geben, nämlich das ideale Verhältnis von Taille zu Hüfte (Waist-to-Hip-Ratio, WHR). Egal ob dick oder dünn - das ideale Verhältnis sollte bei etwa 0,7 liegen. Man erhält diesen Wert, indem man den Taillenumfang durch den Hüftumfang dividiert. Beispiel: 63 cm Taillenumfang geteilt durch 90 cm Hüftumfang ergibt 0,7.

Ein Taille-Hüfte-Verhältnis von 0,6, 0,7 und 0,8 (von links nach rechts).
Laut Theorie müsste die mittlere Figur mit einer WHR von 0,7 am attraktivsten sein.

Ein niedriger WHR-Wert ist ein Merkmal, das Frauen von Männern unterscheidet. Bis zum Beginn der Pubertät ist bei Jungen und Mädchen das Verhältnis zwischen Taille und Hüfte etwa gleich (ca. 0,9). Durch den Einfluss von Östrogen wächst dann jedoch bei Frauen das Becken, es bilden sich die typisch weiblichen Fettansammlungen an Po und Oberschenkeln heraus und die WHR geht gegen 0,7. Beim Mann dagegen bleibt die Hüfte im Verhältnis zur Taille schmal (das Ideal liegt hier bei etwa 0,9).

Der Attraktivitätsforscher Devendra Singh führte in den 90er Jahren zahlreiche Untersuchungen zur Waist-to-Hip-Ratio durch. Sein Name ist es, der stets im Zusammenhang mit dem WHR-Ideal von 0,7 zitiert wird. So wird auch häufig eine seiner Untersuchungen angeführt, nach der angeblich alle Siegerinnen von "Miss-Amerika-Wahlen" von 1920 bis in die 80er Jahre eine WHR zwischen 0,72 und 0,69 besaßen. Bei Playboy-Models soll sie zwischen 0,71 und 0,68 gelegen haben. Das ideale Taillen-Hüfte-Verhältnis lag demnach also über Jahrzehnte konstant bei etwa 0,7, und das obwohl das Körpergewicht dieser Models durchaus schwankte. So wird auch immer wieder aufgeführt, dass die Schönheitsikonen Marilyn Monroe, Sophia Loren, Twiggy und Kate Moss trotz ihrer unterschiedlichen Gewichtsklassen eines gemeinsam hatten: eine WHR von etwa 0,7.

Das Bild "Der Liebeszauber" eines anonymen niederrheinischen Malers (um 1470) zeigt eine Braut, deren Figur dem mittelalterlichen Schönheitsideal entspricht: Schmales Becken, weiter Taillenumfang und kleine Brüste.

Doch so einfach ist es nun leider auch nicht. Neuere Untersuchungen haben inzwischen Zweifel geweckt an der scheinbaren Allgemeingültigkeit der magischen 0,7. In anderen Kulturen als der westlichen werden durchaus auch WHRs bevorzugt, die Richtung 0,9 (also in Richtung männlicher Proportionen) gehen. Auch in der abendländischen Kultur gab es unterschiedliche Vorlieben. Während im Mittelalter eine fülligere Taille angesagt war, stand man in Renaissance und Barock auf die typische Sanduhrfigur, die durch Kleidung wie Korsett und Reifröcke noch betont wurde. In den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts waren knabenhafte Frauenfiguren gefragt und die weibliche Taille wurde durch locker fallende Kleidung kaschiert, während in den 50er Jahren die "Wespentaille" begehrt war.

Zudem gibt es Kritik an der Methodik, mit der die Ergebnisse zum Taillen-Hüfte-Verhältnis gewonnen wurden. Denn bei den allermeisten Experimenten wurde bei den präsentierten Frauenfiguren nicht das Taillen-Hüfte-Verhältnis an sich, sondern genau genommen nur die Taille verändert. Verengt man die Taille, sinkt dadurch die WHR. Doch sie würde auch sinken, wenn man nicht die Taille enger, sondern die Hüfte breiter machen würde. Doch ob die Versuchpersonen bei gleicher WHR eine Figur mit reichlich Hüftspeck und normaler Taille immer noch genauso attraktiv fänden wie eine Figur mit normaler Hüfte und enger Taille, ist fraglich. Bei den berühmten Experimenten von Singh wurden jedoch nur zwei Variablen verändert: Die Körperfülle (untergewichtig - normalgewichtig - übergewichtig) und die Taillenweite (von 0,7 bis 1,0) der gezeigten Frauen-Attrappen.

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Links: Ab dem 16. Jahrhundert wurde das Mieder für jede gut gekleidete Frau unverzichtbar. Durch enges Schnüren ermöglichte das Mieder ebenso wie sein modischer Nachfolger, das Korsett, die sogenannte "Wespentaille" und betonte dadurch eine typisch feminine, Sanduhr-förmige Silhouette. Das Korsett blieb bis ins späte 19. Jahrhundert en vogue.
Rechts: Ein Ausschnitt aus dem Versuchsmaterial von Singh (1993), mit dem sehr viele Untersuchungen zum Taille-Hüfte-Verhältnis durchgeführt wurden. Die Waist-to-Hip-Ratio wurde hier nur über eine Manipulation der Taille verändert. Die Hüfte blieb hingegen unverändert. In diesem Experiment wurde von den Versuchspersonen die linke Figur mit einer WHR von 0,7 am stärksten bevorzugt (daneben WHR mit 0,8 und 0,9). Kritiker der Experimente von Sing merkten zu Recht an, dass man bei dieser Art der Manipulation nicht entscheiden kann, ob der Attraktivitätseffekt tatsächlich an den Proportionen zwischen Taille und Hüfte liegt, oder ganz simpel daran, dass die linke Figur durch die schmale Taille einfach am schlankesten wirkt.

Bilder oben: Auch mit weniger Stoff als bei Reifröcken lässt sich der optische Eindruck einer schlanken Taille erreichen. Die Bilder der Badeanzüge zeigen, wie man wahrnehmungspsychologische Gesetzmäßigkeiten der Gestaltpsychologie in der Praxis clever nutzt. Durch die Farbkontraste und Linienverläufe wird erreicht, dass die Taille optisch enger erscheint (v. a. die beiden ersten Bilder). Auf dem zweiten und vierten Bild wird durch die Linienführung zusätzlich die schmale Hüfte betont.

Was stimmt also? Wie wichtig ist das Taille-Hüfte-Verhältnis und hat das Ideal tatsächlich den Wert 0,7? Beautycheck hat der Theorie auf den Zahn gefühlt und mehrere Untersuchungen mit über 30.000 Versuchspersonen durchgeführt.

Lesen Sie hier unsere Ergebnisse zum Taille-Hüfte-Verhältnis!

Die Rolle der Oberweite

Doch Körperfülle, Taille und Hüfte sind noch längst nicht alles für eine perfekte Figur. Zur Schönheit einer Frau gehört auch die passende Oberweite. Doch was ist passend? Auch hier lohnt wieder ein Blick zurück: Für eine ideale Frauenfigur früherer Jahrhunderte musste der Busen vor allem eines sein: klein. Am besten klein und rundlich (siehe Abbildungen oben!) - im Mittelalter wurde der Ideal-Busen mit Äpfeln verglichen. Heute hingegen ist das (insbesondere westliche) Ideal ein großer Busen.

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Auffallend ist dabei auch, dass während früherer Jahrhunderte die Frau oben herum mit einem zierlichen Busen eher jugendlich-mädchenhaft sein sollte, unten herum mit reichlich Fett an Po und Oberschenkeln dagegen üppig weiblich. Heute hingegen hat sich das Ideal genau umgekehrt: Begehrt ist nun ein großer Busen bei gleichzeitig schmaler, eher etwas androgyner Hüfte. Die Ironie des Ganzen ist, dass damals wie heute beide Schönheitsideale kaum zu erreichen waren, da sie extrem unrealistisch sind: Entweder hat eine Frauenfigur viel Fett, dann ist sie sowohl unten- als auch oben herum üppig. Oder sie ist schlank, dann hat sie eine schmale Hüfte und schlanke Oberschenkel, aber auch kleine Brüste (siehe auch Figurideal und Normalität).

Im Gegensatz zu früher gibt heute jedoch die Möglichkeit, die von der Natur vorgegebene Regel der Körperfettverteilung (entweder überall Fett oder nirgends) auszuhebeln. Und so wundert es nicht, dass immer mehr Frauen chirurgisch durch eine Brustoperation "nachbessern" lassen. Der Trend scheint dabei in Richtung einer immer volleren Oberweite zu gehen, zumindest wurden in den letzten Jahren die eingesetzten Implantate immer größer. Spitzenreiter dieses Trends sind die USA, wo die größten Implantate verpflanzt werden und deren Schönheitsideal auf andere Länder abzufärben scheint.

In Brasilien beispielsweise gilt traditionell bei Frauen ein kurvenreiches Becken, ein etwas vollerer Po und ein kleiner Busen als schön. Große Brüste galten dort bisher als ordinär. In den letzten Jahren hat sich jedoch auch dort das brasilianische Schönheitsideal an das amerikanische angenähert, und die verpflanzten Brustimplantate werden immer größer.

Lange Beine

Ein letztes wichtiges Merkmal für eine schöne Frauenfigur sind lange Beine. Eigentlich sehr nahe liegend, schließlich werden Beine durch Schuhe mit erhöhten Absätzen (von Pumps über erhöhte Stiefeletten bis hin zu Plateauschuhen mit zusätzlich erhöhter Sohle) künstlich optisch verlängert. Lange Beine unterstreichen das gegenwärtige vorherrschende Schlankheitsideal, denn je länger die Beine, desto schlanker wirkt der Körper. Umso erstaunlicher ist, dass Beine als Schönheitsmerkmal in der Attraktivitätsforschung bislang kaum untersucht sind. Auch die berühmten Untersuchungen von Singh blendeten diese wichtige Variable einfach aus.

In unseren Online-Experimenten zum weiblichen Figur-Ideal haben wir alle fünf genannten Variablen berücksichtigt: Körperfülle, Beckenbreite, Taillenweite, Oberweite und Beinlänge. Jedes Merkmal gibt es bei unserem Versuchsmaterial in drei Ausprägungen (z. B. breit - mittel - schmal), und alle Ausprägungen sind unabhängig voneinander kombinierbar - macht zusammen 243 Kombinationsmöglichkeiten (3 x 3 x 3 x 3 x 3 = 243). Zudem verwenden wir keine Strichzeichnungen, sondern Fotomaterial, das wir mit Hilfe von Morphing-Software systematisch verändert haben. Durch die Realitätsnähe und Vielfalt des Versuchsmaterials sind die Online-Experimente der Uni Regensburg bislang weltweit einmalig.

Wir versprechen uns von den Daten präzisere Erkenntnisse über das in unserer Gesellschaft vorherrschende Figur-Ideal bzw. die verschiedenen Figur-Ideale. Denn erste Ergebnisse legen nahe, dass es je nach Beurteiler unterschiedliche Ideal-Typen gibt.

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(a) Die durchschnittliche Frauenfigur mit "Normalmaßen"

(b) Der klassische 90-60-90-Typ mit Sanduhr-Figur
(c) Der sportliche Typ: maskulines, schmales Becken, aber großer Busen
(d) Der "Barbie-Typ": dünn, großer Busen, schmales Becken, lange Beine

Das äußerst differenzierte Versuchsmaterial ermöglicht es außerdem, Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Körpermerkmalen zu untersuchen. Denn verändert man ein bestimmtes Körpermerkmal, so hat dies auch Einfluss auf die Wahrnehmung anderer Merkmale: Beispiel: Die Figuren b und d haben exakt die gleiche Beinlänge. Bei Figur d wirken sie jedoch länger, da sie dünner ist und ein schmaleres Becken hat. Gerade diese Wechselwirkungen machen die Erforschung von Attraktivität so kompliziert.

Sie können selbst teilnehmen an den Figur-Experimenten der Uni Regensburg. Testen Sie Ihr eigenes Figur-Ideal! Unter 243 Figur-Varianten ist bestimmt auch Ihr Ideal dabei!

Zu den Online-Figur-Experimenten

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