Durchschnittsgesichter
Sind attraktive Gesichter deswegen attraktiv, weil ihre Gesichtsproportionen so durchschnittlich sind? Diese populäre Theorie ("Durchschnittshypothese") untersuchten wir in einem Experiment: Wir ließen alle Originalgesichter und alle von uns berechneten (gemorphten) Gesichter, die aus 2, 4, 8, 16, 32, oder 64 Originalgesichtern erzeugt waren, bezüglich ihrer Attraktivität von Versuchspersonen beurteilen.
Links das durchschnittliche Frauengesicht, berechnet aus 64 Frauengesichtern; rechts das durchschnittliche Männergesicht, berechnet aus 32 Männergesichtern
Es zeigte sich: Je mehr Originalgesichter in einem gemorphten Gesicht enthalten sind, desto attraktiver wird es beurteilt (r = .57** für Frauengesichter, r = .64** für Männergesichter). Dies stützt zwar einerseits tendenziell die Durchschnittshypothese von Langlois & Roggman (1990), andererseits zeigte sich aber auch: Je attraktiver die in einem gemorphten Gesicht enthaltenen Originalgesichter sind, desto attraktiver wird auch das gemorphte Gesicht beurteilt (r = .75** für Frauengesichter, r = .68** für Männergesichter).
Das bedeutet: Gemorphte Durchschnittsgesichter sind zwar ziemlich attraktiv, aber sie sind nicht ideal attraktiv. Entscheidend ist vielmehr, aus welchen Gesichtern man ein Durchschnittsgesicht berechnet. Durchschnittsgesichter aus unattraktiven Gesichtern bleiben unattraktiv und Durchschnittsgesichter aus attraktiven Gesichtern bleiben attraktiv. Dies widerspricht der Durchschnittshypothese, wonach allein die Anzahl der in einem Durchschnittsgesicht enthaltenen Gesichter für die Attraktivität entscheidend sein müsste.
Überraschend ist, dass vor allem Männergesichter durch das Vermorphen deutlich an Attraktivität gewinnen. Dies widerspricht älteren (von uns kritisierten) Untersuchungen, die einen attraktivitätssteigernden Effekt nur für Frauen-, aber nicht für Männergesichter finden konnten. Mangelnde Qualität (Unschärfe) der erzeugten Mischgesichter könnte dafür der Grund gewesen sein.
Warum sind gemorphte Durchschnittsgesichter relativ schön? Ein Grund dürfte darin liegen, dass durch die Mittelwertsbildung beim Morphen unschöne Asymmetrien und Unregelmäßigkeiten ausgeglichen werden. Ein anderer wichtiger Grund ist, dass durch das Morphen (quasi als Nebeneffekt) Fältchen und Hautunreinheiten verschwinden. Dadurch erscheint die gesamte Haut jünger und makelloser. Dass die Schönheit der Haut und nicht die Durchschnittlichkeit der Gesichtsproportionen tatsächlich der entscheidende Grund für die Attraktivität gemorphter Gesichter ist, konnten wir durch ein weiteres Experiment (siehe Schemaanpassungen) nachweisen.
Buchtipp:
Grammer, Karl (1995). Signale der Liebe. Die biologischen Gesetze der Partnerschaft.
Sehr empfehlenswertes Buch von Karl Grammer, dem renommiertesten und bekanntesten Attraktivitätsforschers im deutschen Sprachraum. Behandelt nicht nur Schönheit, sondern auch Partnerwahl und Sexualität. Informativ, wissenschaftlich und interessant. Für Einsteiger und Fortgeschrittene.
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